Frankfurter Allgemeine Magazin

Interview: Peter-Philipp Schmitt, Photos: Frank Röth
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BERLIN DIREKT

Der Verspielte
Der Name des Studios lässt sich leicht erklären: Yuue ist kein richtiges Wort, und es bedeutet auch nichts. Wichtiger aber für Weng Xinyu ist: Bei Google tauchte das Wort nicht auf, als er es eingab. Wer also nach Yuue sucht, landet sofort bei dem jungen Designer und seinem Studio. Seit 2015 ist Weng Xinyu in Berlin, er lebt und arbeitet in Prenzlauer Berg. „Vorher war hier ein Architekturbüro drin“, sagt Weng. Er teilt sich das Büro mit seiner Freundin Tao Haiyue. Die beiden haben an der Bauhaus-Universität in Weimar studiert, er Produktdesign, sie Kunst.

„Fast jeder, der in Weimar studiert hat, geht nach Berlin“, sagt Weng. Wie zum Beweis zählt er gleich mehrere junge Designer auf, die nach dem Studium in der Kleinstadt in die Großstadt gezogen sind: Laura Straßer, Vincent Cramer, Philipp Schöpfer, Daniel Klapsing. Die Designszene sei ziemlich verteilt in Berlin. Weng bedauert es, dass es in der deutschen Hauptstadt kaum Unterstützung für junge Designer gibt. Nicht einmal mehr das Design-Festival DMY, das zuletzt 2016 auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof stattfand und auch eine Plattform für den kreativen Designnachwuchs sein wollte.

Weng, der 1987 in Taizhou südlich von Schanghai zur Welt kam, hat sich schon früh für Deutschland interessiert. Von 2006 bis 2010 studierte er Germanistik in Peking. Nach seinem Bachelor bewarb er sich in Weimar, weil ihm – wie vielen anderen Chinesen auch – das Bauhaus ein Begriff war. Das Designstudium schloss er 2014 mit seinem zweiten Bachelor ab. In Berlin tat er sich dann mit Tao Haiyue zusammen, die mit Mín Berlin eine Agentur gegründet hat, die schöne Designobjekte aus Deutschland in China vermarktet, darunter natürlich auch die Entwürfe ihres Partners Weng.

Der Dreiunddreißigjährige will, dass die Menschen mit seinen Werken inter- agieren. Und er will Emotionen wecken. Seine Deckenleuchte Oops! etwa sorgt für eine Schrecksekunde: Wer an der Schnur zieht, um sie anzuknipsen, der zieht zugleich die Lampe aus der Halterung. Zu Besuch bei Freunden wäre es ein peinlicher Moment, denn man würde glauben, das Designerstück kaputt gemacht zu haben. Genau das ist gewollt: Oops! leuchtet nur mit herausgezogener Lampe. Ein anderes Beispiel ist der Spiegel Pop-Up. Er hängt an der Wand und muss aufgeklappt werden, damit zwei bewegliche Spiegel sichtbar werden. Das heruntergeklappte Bord ist zugleich Abstellfläche.

„Oft sind es Kleinigkeiten, die mich inspirieren“, sagt Weng. Ein chinesisches Puzzle zum Beispiel, auch Lu-Ban Lock genannt. Bei dem 3-D-Geduldsspiel müssen kleine Holzblöcke so ineinander gesteckt und verzahnt werden, dass ein fest gefügtes Ganzes entsteht. Weng hat, basie- rend auf diesem Prinzip, einen Stuhl ent- wickelt, der ganz ohne Leim und Schrauben auskommt. Rückenlehne und Beine werden zusammengesteckt, die Sitzfläche wie ein Druckknopf zuletzt eingefügt. Den Proto- typen des Stuhls Hashtag hat der Form- holz-Spezialist Becker Brakel hergestellt. Ein Produzent fehlt aber noch.
Andere Arbeiten werden schon in Serie produziert, auch seine Leuchte Oops! ist nicht nur online im Yuue-Shop zu haben, sondern auch über Mamamoon, eine Platt- form, die sich auf „schrulliges“ Design spezialisiert hat. Peter-Philipp Schmitt